Viele fordern, es müsse endlich trotz Corona eine Rückkehr zur Normalität geben. Aber das würde nichts anderes bedeuten als zurück zum Wahnsinn.
VON MELY KIYAK

Der Dieter – wir sprechen hier von einem stinknormalen, mäßig gebeutelten, also alles in allem durchschnittlichen Durchschnittsdieter – bummelt am Wochenende zu Deichmann, verspeist in der Einkaufspassage im Tchibo einen überdimensionierten Schokokeks, trinkt dazu eine Tasse Kenia-Blend, bisschen Handys angucken bei Saturn, nachmittags Fußball, Schweinebauch grillen, paar Flaschen Bier und mindestens einmal im Jahr Pauschalurlaub. Trotz Internetanschluss bucht er immer im Reisebüro, weil dort seine Tochter ihre Ausbildung zur Reisekauffrau macht, und da kriegt er nochmal fett Prozente.
 
Variationen dieses Lebens bestehen darin, dass man statt bei Tchibo Kaffee und Kuchen bei Nordsee den Alaska Seelachsfilet Mittagsteller isst und bei Orion ein bisschen Ausschau nach sexyschmusi Spielzeug hält. Warum auch nicht? Dieter ist modern, und Gisela, seine Mausi, hat immer noch Lust. 
 
Ein gewöhnliches Dieterleben an einem gewöhnlichen Samstag, das ohne Kinderarbeit, Menschenausbeutung, Umweltverschmutzung, Konsumismus nicht auskommt. Dieter war einmal bei König der Löwen in Hamburg, und letztlich hat es ihm nichts gebracht, da macht er lieber Streamingabend, da kriegt er für weniger Geld mehr. Der Dieter, das darf man nicht falsch verstehen, ist kein schlechter Mensch, der hat das Herz auf dem rechten Fleck, aber er kann jetzt auch nicht die ganze Welt retten, und bis er sich einen Maiskolben in Alufolie mit Niedrigtemperaturmethode gart, muss schon einiges passieren.

Hier geht es zum Artikel …

Sie wollen der Diskussion unter dem Text folgen?
Hier geht es zum Kommentarbereich.

© Kiyaks Deutschstunde in DIE ZEIT